Wir haben ja schon verraten: Forschen, Reisen und Kids gehört für uns zusammen. Mit meinem derzeit wichtigsten Forschungsprojekt versuche ich herauszufinden, wie hoch das Bewusstsein und auch der persönliche Einsatz der Menschen für den Wert der Ressource Wasser ist. In einem Land wie Australien – heiß, trocken und dürr – dürfte das ja noch extremer sein als bei uns, so dachte ich mir. Und nachdem ich Anfang 2016 noch bzw. bald wieder in Karenz war, ging es los. Wir haben Kaspar für zwei Monate aus der Schule genommen und sind die wichtigste Wasserader Australiens, den Murray River, entlang gefahren. Eine ganz spezielle Flussreise. Der Nase nach, immer auf der Suche nach spannenden Interviewpartner*innen für meine Studie. Und immer im Rhythmus der Kids.
Wandong und Shepparton: Die Kinder geben den Takt an
Nach dem Flug von Hobart/Tasmanien nach Melbourne, der Suche nach unserer Leihwagenfirma, der Eroberung unseres kleinen weißen Gefährts, eines Hyundai Accent, das uns nun für sechs Wochen begleiten sollte, ging es die ersten ersten Kilometern in der australischen Hitze gen Norden. Erster Stopp nach 50 Kilometern: world-famous Wandong. OK, vielleicht nicht ganz so bekannt. Für uns aber wichtig. Denn es hieß erstmal Essen bunkern und Beine vertreten – auf einem richtig coolen Skatepark.
Für die erste Übernachtung haben wir es dann noch bis Shepparton geschafft. Shepparton, ein kleines Städtchen am Goulburn River, einem Zufluss zum Murray River. Auch dort haben wir, wie auch schon in Tasmanien, auf Altbewährtes zurückgegriffen. Denn meistens haben wir dort in einer sog. “Cabin”, einem Wohncontainer auf einem Campingplatz übernachtet. Der wichtigste Vorteil für uns: Infrastruktur für die Kids. Spielplatz, Pool, Jumping Pillow und – auch mal nicht zu unterschätzen – genug Betten für alle Weders. Ohne Knuffel- und Stapelspiele wie im Van.
Dampf ablassen in Echuca/Moama
Und dann waren wir endlich am Murray River. Ein beeindruckender Strom, der sich von den Blue Mountains bis südlich von Adelaide zieht. Von den Bundesstaaten New South Wales bis nach South Australia. Von den großen Baumwollplantagen bis zur “Fruitbowl” im Süden. Echuca/Moama ist auch die erste “Zwillings”-Stadt, in der uns klar wurde, dass der Murray River ein touristischer Ballungsraum für die Australier selbst ist. Gondelt der gemeine Reisende aus Europa und vor allem Asien eher an der Gold Coast oder der Great Ocean Road entlang, heißt es für die “Einheimischen” rauf aufs Jetboat und her mit Wasserskiern und Angelrute. Falls sich dann doch ein ausländischer Tourist in das so genannte Riverland verirrt, warten die Steamboats bzw. Paddlesteamers.
Interviewpartner gesucht: Swan Hill und Mildura
Weiter ging es dann nach Swan Hill und Mildura. Hatte ich im Vorfeld der Reise ein paar Interviews vereinbart, war es dennoch schwer gewesen, die “richtigen” Partner zu finden. Der Schlüssel zum Erfolg, das heißt der Schlüssel zu den spannenden Interviewpartnern in Sachen Wassermanagement und Wasser als knappe Ressource, lag sozusagen in unserem Reisen selbst. Denn die erste Anlaufstelle, egal wo wir hin kamen, war zumeist das Touristeninformationsbüro. Und so ergab sich beispielsweise in Mildura aus einem netten Schwätzchen mit der entsprechenden Dame an der Theke gleich ein Bündel an Kontakten, an die ich gleich telefonisch verbunden wurde. Lokales Schneeballsystem – und das im heißen, sommerlichen Australien.
Übrigens: Spätestens Mildura hätte sich dann übrigens auch die BIG4-Campingplatz-Discount-Karte gelohnt. Die hatten einfach echt coole Pools…
Weiter entlang Murray River: Renmark, Berri, Barmera
Und auf einmal, weiter entlang des Murray Rivers, war da nicht nur ein Fluss, sondern auch ein See. Ziemlich abenteuerlich war das am Lake Bonney. A popular venue for holiday makers, wie es dort im Werbeslogan heißt. Dort konnten endlich auch die “Poolboards”, die es als Ersatz für die eigentlich gewünschten Surfbretter für die Jungs gab, dann auch einmal richtig ausprobiert werden.
Fast genauso spannend war aber die Tour durch die sommerlich trockenen “Wetlands”, auf die uns Callie vom Umweltministerium von South Australia mitgenommen hat.
Mit ihr gemeinsam haben wir noch einmal im Kleinen entdeckt, was entlang des Murray Rivers immer augenscheinlich war: Der Fluss ist eingebettet in ein fragiles System. Ein System aus künstlichen Kanälen, Zu- und Abflüssen, Wasserspeichern, Schleusen und Dämmen. Dementsprechend gilt der Fluss auch als “überreguliert”. Er ist Quelle politischer Querelen, aber auch ökologischer Probleme. Beispielsweise ist die berühmte Murray Cod, die Forelle, von der sich die Aborigines noch ernährten, heute inzwischen nahezu ausgestorben. Der Grund: Der Fluss fließt zu langsam durch die Wehre. Dafür hat der Karpfen sich übermäßig vermehrt. Ebenso in Gefahr sind die Red Gum Trees oder auch Roter Eukalyptus. Diese australo-typischen Bäume mit den sich ständig schälenden Rinden entlang des Flusses werden “gequält” durch die Abwässer aus den Baumwollfarmen am Beginn des Riversystems und die zunehmende Trockenheit.
Ein Monster in Murray Bridge
Immer weiter ging es, immer am Fluss entlang. Die Kinder waren im “Aufreißen” von Interviewpartnern und lokalisieren von tollen Fotospots für mein Wasserprojekt schon fast geschickter als ich. Dementsprechend haben sie es auch als erstes entdeckt – und das, obwohl Stefan und ich es von früheren Reisen ja schon kannten: das Bunyip Monster. Direkt in seiner Höhle am Murray River in der zentralen (Einkaufs-)Stadt Murray Bridge. Wieder eine Geschichte über eine sagenumwobenes Tier, das früher im Fluss sein Unwesen getrieben haben soll. Wieder eine Geschichte, die für die Kids die Forschungsreise spannend gemacht hat.
The spirit of the swamp – der Geist, der aus dem Wasser bzw. dem Sumpf kommt und sich Menschen holt hat vor allem die Kleinsten schwer beeindruckt. Leider ist es mehr Attraktion, als das wirklich Sagen und Geschichten der Aborigines transportiert werden. Und besonders hier in Murray Bridge wurde noch einmal deutlich: Der Murray River und insbesondere das von uns bereiste Riverland ist eine nette Region für Touristen und ein relaxtes Wochenende mit Baden, Bootfahrten und Barbecue. Es ist irgendwie nicht das Australien, was wir gesucht haben.
Für meine Forschung hingegen war es sehr spannend. Egal ob viel Wasser (wie in Österreich) oder wenig Wasser (wie in Australien) ein Land scheinbar haben mag – solange es aus dem Wasserhahn rinnt, man baden und Jetski fahren kann, ist es so gut wie allen eigentlich herzlich wurst, ob es auch im nachhaltigen Sinne genug von der Ressource gibt und wo die potentiellen Gefahren für die Natur bzw. die Zukunft lauern.
Victor Harbour und Goolwa: Und am Ende entspringt der Fluss
Bis ans Ende haben wir es geschafft – oder den Anfang? Je nachdem wie man es nimmt. Ja, der Murray River entspringt in den Blue Mountains und schlängelt sich bis ins Meer, südlich von Adelaide. Aber dennoch – etwas besonderes hat es mit dieser Flussmündung auf sich. Sie war nicht nur immer ein heiliger Ort der Aborigines. Durch die erwähnten Wehre und Staustufen fließt der Murray tatsächlich derartig langsam, dass er bei niedrigem Wasserstand an der Mündung quasi stehen bleibt bzw. sogar wieder “rückwärts” fließt. Oder anders gesagt: Das salzige Meereswasser drückt zu stark in den Süßwasser-Flussarm hinein.
Logischerweise ist das eine Gefahr für Natur und Tierwelt im Fluss. Deshalb wurde gehandelt. Den Kampf gegen dieses Szenario bestreiten dort, am “River Mouth”, riesige Bagger, die dort im Wasser stetig den Sand abtransportieren. Doch wie so oft gibt es auch hier Nebeneffekte: Zwar wird der Fluss wieder frei und “ergießt” sich ins Meer. Das Summen der Bagger lockt jedoch Seerobben an, die wiederum den Fischbestand rund um das Delta nachhaltig dezimieren und so der heimischen Fischerei Sorgen bereiten. Der Tourismus hingegen freut sich. Seerobben sind wieder eine Attraktion mehr. Verrückte Welt.
Auch diese Region rund um den Lake Alexandrina, mit den süßen Ausflugszielen Goolwa, Victor Harbour oder auch Meningie auf der anderen Seite lohnt sich, wenn man von Adelaide auf Entdeckertour geht. Für die Kinder wie so oft das Highlight: der Sand, die Weite, und wieder Platz zum Fußballspielen. Und wenn es mit einem Seegras-Ball ist.
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