Wir haben etwas Verrücktes gemacht, etwas fast noch nie Dagewesenes! Wir saßen in einem Straßencafé. Ein Straßencafé. Wir haben einen Kaffee geschlürft. In Ruhe. Mit Zeit. Ohne Sorgen. Und die Kinder? Die rannten auf dem Stadtplatz herum und vergnügten sich. Wo? In Berat in Albanien. Unpackbar! Nur Stefan und ich – für 10, 15 Minuten allein. Was für ein toller Start in unseren Stapftag in Berat, Berat Albanien, der Stadt der tausend Fenster und des Kopfsteinpflasters, einer Stadt, deren historischen Zentrum seit 2008 UNESCO Weltkulturerbe ist.
Die beiden “Höhepunkte” kann man vom Hauptplatz auch beides schon gut sehen, schmiegen sich die berühmten und vielfach fotografierten weißen Häuser doch dicht an dicht an den Bergrücken, auf dem wiederum die Burgfeste Kalaja thront. So wie Berat Albanien und den Tourismus dort prägt, so hat uns dieser erste Tag in diesem Land geprägt für den Rest der Tour. Er war wie kein anderer typisch für die Mischung aus Entspannung und Aufregung, aus Ruhe und Stress, die unsere #CEEtour17 ausgemacht haben. Immer mit einem kleinen Ungleichgewicht zu Gunsten der Anstrengung. Aber man lernt ja nie aus.
Berat Albanien: Wir sind da
Nach der kleinen Rast am Lake Ohrid waren wir reif – reif für Albanien. Da wollten wir ja irgendwie die ganze Zeit auch hin. Das war das erklärte Ziel der ganzen Tour! Also einmal rum um den See und rüber über die wohl unspektakulärste Grenze der Tour. Und dann waren wir in dem Land, von dem wir schon so viel Gutes gehört hatten. Und dem wir wahrlich entgegenfieberten. Durch eine gänzlich neue Landschaft schlängelte sich die Straße zunächst in ein Tal hinab. Eine Umgebung wie neu. Wie wenn uns jemand sagen wollte: “Hey, ihr seid nun in einem neuen Land. Ihr seid in Albanien.”
Am Straßenrand dann die drei wohl typischsten “Sites” von Albanien: Bunker (über 170.000 sollen es im ganzen Land sein), Einfahrtstore ohne Einfahrt und Zaun, in den sie eingefasst wären und unzählige “lavash”. Hier bieten junge Männer unter freiem Himmel oder einem Wellblechdach für wenig Geld eine Autowäsche an – barfuß und selber von oben bis unten nass. Aber immer mit einem Lächeln im Gesicht.
Bananenmilch und Domino
Unser erster Stopp in Albanien war Berat – genauer gesagt der Campingplatz Berat Caravan Camping, ca. 15 Minuten Autofahrt entfernt von der Stadt. Das “Kamp” wird von der lieben Juliana gemanaged und war für uns ein Ort oder sogar eine Oase, in der wir – zumindest ein kleines bisschen – zur Ruhe kamen. Immerhin entstand hier auch der erste und einzige Blogbeitrag während und auf unserer Tour…
Aus dieser ungewohnten Entspannung heraus wollten wir es wagen, unseren Van gegen einen öffentlichen Bus einzutauschen. Also stehen zu lassen und auf öffentlichen Verkehr umzusteigen. Eintauschen würden wir unseren VW California Beach ja sowieso nie. Jedenfalls waren die Instruktionen von Juliana relativ klar: Nicht in die roten (Privatanbieter) sondern unbedingt in einen gelben (öffentlich) Bus einsteigen. Nur bei den Zeiten hatte sie sich geirrt. Oder der Tatsache, dass am Samstag, als wir da waren, gar keine solche Busse fahren.
Bevor also die schöne Entspannung einer ausgewachsenen Verstimmung wich, sind wir doch schnell wieder in den WederVan gehüpft und haben uns damit auf nach Berat gemacht. War letztendlich kein Thema, denn bis auf den kleinen Roma-Jungen, der sich als Parksheriff der Stadt ausgab und so ein paar Lek ergattern wollte, war Parken in Berat unproblematisch. Es war ja wie gesagt auch Samstag. Also erst einmal ab ins nächste Café und Bananenmilch und Kaffee schlürfen.
So ein schöner großer Platz zum Rumflitzen und dann noch die Wochenend-Partien der lokalen “Domino”-Männerrunde an den Tischen, die zwischen den Bäumen und in kleinen Pavillons standen. Das bedeutete für mich und Stefan, wie oben schon erwähnt, ein kleines Tête à Tête – eben etwas, was es auf der Tour sonst nicht so wirklich gab. Dieses Durchschnaufen war auch wichtig, denn dann ging es richtig los, in und mit Berat.
Hoch und runter mit der “Sänfte”
Der erste Weg unserer “Berat-Stapftour” führte uns zu den weißen Häusern mit den dunklen Fensterrahmen und alten Ziegeldächern. Ein wirklich faszinierender Anblick, wie sie so Tür an Tür und Fenster an Fenster an den Bergrücken gebaut wurden. Eng(st)e Gassen dazwischen winden sich den Berg empor. Abgeschliffene Steinstufen und Kopfsteinpflaster führten dazu, dass der Buggy zu einer Sänfte mutierte und wir ihn nicht schoben sondern mehr den Berg hinauf trugen. Und im Anschluss leider wieder hinunter. Denn eigentlich wollten wir zur Burg. Den kleinen, verschlungenen Gässchen jedoch zahlten wir Tribut. Diese spannenden Wege führten nicht zu unserem Ziel. Also eben wieder runter, einen Bogen durch die Stadt und wieder hoch, diesmal wirklich zur Burg. Und das bei dieser albanischen Sommerglut.
Immer heißer wurde es. Die Wasserflaschen, die in allen Taschen des Buggys und Stefans Hosen steckten waren schnell leer, unser Ziel aber noch nicht erreicht. Der Berg ruft. Schließlich ist Berat ja nicht nur Museumstadt sondern mit der Festung auch quasi die Top-Attraktion in Albanien. Also weiter im Text – ausnutzen, dass die Jungs noch recht fröhlich und motiviert waren.
Ist sicher ‘ne Abkürzung…
Das änderte sich, als wir die steile Kopfsteinpflasterstraße hinauf zur Burg erklommen. Die Schritte wurden langsamer, das T-Shirt schweißgebadeter, die Gemüter ungeduldiger. Doch plötzlich eröffnete sich eine ungeahnte Option. Ein kleiner Pfad, der sich auf der linken Seite im Schatten den Berg zur Burg hochschlängelte, erschien.
Da haben wir etwas ganz “un-weder-mäßiges” getan: Wir haben uns getrennt! Ich mit Xaver im Buggy weiter geradeaus die Straße entlang, Stefan mit den drei “Großen” den “Schleichweg”, der sicher auch irgendwie zur Burg führt. Inzwischen hatte es 40 Grad. Und auf einmal wurde sowohl Stefan als auch mir klar – irgendwie hatten wir das unterschätzt. Zu heiß, viel zu wenig Getränke dabei. Nicht gut. Im Kopf nur eine schwere Hoffnung: Lass es da oben so etwas wie ein Burglädchen geben, bitte! Irgendetwas, wo ich Wasser kaufen kann.
Und tatsächlich: Irgendwie haben wir es hoch geschafft. Ich mit Xaver zumindest. Und ja, die Burgfestung von Berat, Kalaja genannt, ist nicht nur ein Wahrzeichen der Stadt: Sie hat zwischen den zahlreichen kleinen Stein-Häusern, aus denen sie “zusammengebaut” ist, auch ein kleines Geschäft. Also, schnell die 100 Lek (rund 70 Cent) bezahlen, rein in die Burg, Getränke fassen und meinen Männern entgegen gehen. Was soviel bedeutet wie wieder raus aus dem Eingangstor. Doch wo waren sie?
Wasserspritzereien auf der Burg
Nach langem Warten und Suchen kam ein Anruf von Stefan. Natürlich hatte die Burg – entgegen der Ansage eines “Locals” – doch noch einen zweiten Eingang. Genau dort in der Burgmauer, wo der kleine Wanderpfad endet. Irgendwie inoffiziell und ohne Eintritt. Die wirklich günstigen 100 Lek hätten wir aber liebend gerne gezahlt, wenn wir dadurch diese Irrungen und Wirrungen umgangen wären. Ich also wieder retour, rein in die Burg und – holperdipolter – mit dem Buggy und Xaver weiter über das Kopfsteinpflaster zu einem kleinen Lokal, unserem Treffpunkt. Hier gab es für alle, wieder vereint, ein großes Eis und vor allem eine kalte Wasserdusche.
Schläuche, aus denen das Wasser fließt, liegen in Albanien quasi vor jedem Haus in irgendeinem Busch. Nach diesem persönlichen “lavash” haben wir dann mit der letzten Motivationsreserve noch unseren Weg über die Burg gemacht, die Ruinen der Roten Moschee und der Weißen Moschee sowie einer türkischen Kaserne begutachtet und uns den frischen Wind aus dem Tal um die Ohren wehen lassen.
Irgendwie waren am Schluss dann alle echt durch, aber doch guter Dinge – bis auf den Buggy. Der Seilzug, der die Bremse bei Normalbetrieb oben hält, hatte in Anbetracht des Bodenbelags den Geist aufgegeben. Ein großes Dankeschön also zu guter Letzt an Kaspar, der ihn im leeren Zustand irgendwie wieder von der Burg runtergebracht hat. Und an unser feines Gaffa-Tape, mit dem Stefan “MacGyver” Weder das gute Stück wieder repariert und so für den Rest der Tour funktionstüchtig und benutzbar gehalten hat.
Berat Albanien – unser Fazit
Berat ist eine wunderbare, faszinierende Stadt und mit Kindern, die etwas gut zu Fuß sein sollten, höchst erlebnisreich und damit äußerst empfehlenswert. Wahrlich zum Dahinschmelzen, wortwörtlich. So als ob Berat Albanien symbolisierte, der Vorbote und Fingerzeig gleichzeitig für all die Tage war, die noch folgen sollten. Heißt deshalb auch eine gewisse Lernkurve bei uns: Burgbesteigungen nicht unbedingt in der Mittagshitze machen. Sondern lieber etwas Verrücktes, etwas noch fast nie Dagewesenes machen: Im kühlen Café sogar noch einen zweiten oder dritten Kaffee bestellen.