Ich habe getauscht. Unseren Campingbus mit einem Großen. Einem Omnibus. Einem Doppelstöckigen. Der WederVan hatte Pause. Ich bin Flixbus gefahren. Zum ersten Mal. 12 Stunden von Klagenfurt nach Berlin. Auf eine Stippvisite zum “Besty” in die deutsche Hauptstadt. Und ich war gespannt. Bin ich schon zu alt für so eine Monstertour? Und wie gut ist Flixbus wirklich? Ein Test.
Flixbus: Rainbow Tours reloaded?
Wer kennt sie noch, die Rainbow Tours? Die Partybus-Billig-Fraktion. Der 80er-Jahre-Inbegriff des Ballermann-Tourismus auf Rädern. Busreisen ins Delirium. Für fast kein Geld auf ein Wochenende irgendwohin zum Feiern. Nachts hin, Party, die nächste Nacht zurück. Ich fühlte mich in der Zeit zurückversetzt, als ich für meinen Berlin-Plan Flixbus online gebucht hatte. Oh Gott, was hatte ich getan? In 12 Stunden von Klagenfurt nach Berlin. Im N160 Triest-Berlin. Non stop durch die Nacht. Im Bus. Für nur zwei Tage Berlin. Nicht Party und feiern, sondern vor allem quatschen. Aber auf jeden Fall Spaß haben. Und das für schlappe 30 Euro one way. Unschlagbar.Wenn Klagenfurt eines nicht ist, dann ist das der Nabel der Welt. Der Süden Österreichs ist verkehrstechnisches Ödland. Ein Direktflieger nach Berlin? Fehlanzeige. Geht im Sommer 2018 nur über Wien mit AUA oder über Köln-Bonn mit Eurowings. Zwar je nach Verbindung und Umsteigezeit zwischen rund 3,5 und 7 Stunden Reisezeit deutlich schneller, dafür geht aber unter 200 Euro Hin und Retour rein gar nichts. Eher mehr. Deutlich mehr
Zug und die ÖBB wären eine weitere Alternative zum Bus gewesen. In etwa gleiche Reisezeit – vor allem dank ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken in Deutschland – und rund 100 Euro für das One-Way-Ticket im Sparschienen-Angebot. Dafür mindestens einmal Umsteigen. Also, warum nicht mal Flixbus?
Positiv überrascht
Und was soll ich sagen? Ich war tatsächlich positiv überrascht. Vielleicht, weil ich nicht viel erwartet hatte? Kann sein. Klar, der Bus ist weder eine sanft schaukelnde Sänfte noch ein spaßiges Ikea-Bällebad. Der “Grashüpfer”, wie ich den Bus dank der stark nach vorne geneigten Seitenspiegel sowie der Flixbus-Farbe genannt hatte, ist einfach ein funktionales Reisegerät, das mich günstig von A nach B gebracht hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.Los ging es um 1:50 Uhr nachts. Ein bisschen unchristlich, aber ok. Als ich am Bussteig in Klagenfurt ankam, war ich allein. Doch nicht lange. Es fuhren mehr mit als vermutet. Klar, voll wurde das grüne Ding in Klagenfurt nicht. Aber es war doch ein illustres Grüppchen, dass hier einstieg. Wer nur Studenten erwartet hatte, sieht sich getäuscht. Das Publikum war gemischt. Ältere Pärchen, Frauengruppen mittleren Alters und junge Backpacker. Ah ja, und ich.
“Einchecken” ging recht easy. QR-Code in der App durch den Fahrer gescannt und fertig. Einsteigen, Sitzplatz checken und Augen zu. Üblicherweise bin ich nicht der, der in Zug, Flieger oder Bus gut schläft. Zu groß, der Weder. Zu lange die Haxn, zu breit der Hintern, und dann nichts zum Liegen. Oder anders: Für wen bitte bauen die die Sitze? Lustiger Weise war ich gleich nach dem Klagenfurter Ortsschild im Land der Träume. Fünf Stunden bis sieben Uhr durch geschlafen. Im Sitzen. Mehr als erwartet. Jedenfalls fühlte ich mich danach nur ein bisschen müde. Aber sonst weder gerädert noch verspannt.
2 Fahrten, 2 x Verspätung
Auch die weitere Reise in den Norden verlief entspannt. Wie ein normaler Arbeitstag eigentlich. Notebook hochgeklappt und los ging’s. Das WLAN hat prima funktioniert. Flixbus hat sogar eine eigene Medienplattform. Das, was in Fliegern als Entertainment-Programm Standard ist. Mit Filmen, News und Streckeninfos. Keine Ahnung, ob das wirklich genutzt wird. Ich glaube eher nicht. Zumal auch die Filmauswahl äußerst beschränkt ist. Aber klingt wohl im Marketing ganz gut, so etwas zu haben.
Ich will nicht sagen, dass die Stunden auf diese Weise wie im Fluge vergingen. 12 Stunden sind einfach 12 Stunden. Oder 13 Stunden, wenn die Prager Straßen verstopft sind wie bei mir. Da kann der Busfahrer noch so sehr das Gaspedal durchdrücken. Umgekehrt nach Klagenfurt war das auch nicht anders. Trotz noch mehr Nacht-Anteil als bei Hinfahrt. Auch hier am Ende Verspätung. Das ist halt der große Nachteil vom Busreisen: Du bist Teil des Straßenverkehrs. Des normalen asphaltierten Wahnsinns. Und wie der speziell in Großstädten aussieht, das weißt du nie.
Flixbus-Tipps für Busreisende
Wie gut ist Flixbus also? Zumindest einmal so gut, wie du es dir machst. Auch wenn es für mich die erste Erfahrung mit Flixbus war, habe ich doch einige Dinge mitgenommen, die mir die Fahrt “erleichtert” haben.
Holt Euch die App
Ich bin digital. Und die App von Flixbus kann genau das, was sie soll: Ticket speichern, andere Verbindungen buchen, fertig. Übersichtlich, funktional, ohne Chichi. Wer fährt, fährt damit gut und praktisch.
Vorher noch aufs Klo
Klar, die Busse haben Klos. Aber eine Offenbarung sind sie nicht. Das weiß auch Flixbus. Daher werden sie auf der Homepage auch nur als Notlösung kommuniziert. Für den Fall, dass die Blase nicht bis zum nächsten Stopp durchhält. Vorher Blase leeren wärmstens empfohlen.
Schlafen mit Kissen, Hoodie und richtigem Sitzplatz
Schlafen im Flixbus ist wohl die Königsdisziplin bei 12 Stunden Fahrt. Der Platz beschränkt, Komfort nicht vorhanden. Also ist die Suche nach der besten Lage für den gequetschten Astralkörper oberstes Gebot. Für mich war das mit Folgendem verbunden: Der Fenstersitzplatz mit Strebe, ein aufrechter Sitz sowie Kissen und Hoodie als Accessoires.
Die Strebe im Fenster war Gold wert, weil dort das Kissen eingeklemmt zwischen eben jener Strebe und Sitz weniger verrutscht, als wenn diese nur auf dem Fenster selbst aufliegen würde. Die Sitzlehnen-Schräglage-Funktion kam mir deshalb und mit meinem Wederschen Volumenpackmaß eigentlich nicht wirklich entgegen. Und der Hoodie? Früher habe ich die Schlafmasken-Fraktion im Flieger immer belächelt. Nach der Flixbus-Fahrt verstehe ich sie besser. Denn zum Schlafen hatte ich die Kapuze des Hoodies malerisch über mein Gesicht gestülpt. Half stark, denn richtig dunkel wurde es im Bus aufgrund der indirekten Beleuchtung eigentlich nie. Und eine zusätzliche Decke war der Hoodie auch. Oder geknüllt dann ein zusätzliches Kissen, wenn nötig.
Mehr Zeit planen
Zwei Fahrten, zweimal Verspätung. Wie schon oben erwähnt: Den genauen Zeitplan auf Bus-Langstrecken wirklich einzuhalten, erscheint schwer bis unmöglich. Auf jeden Fall die Reise so planen, dass Puffer drin sind. Hatte ich.
Fazit: Wie gut ist Flixbus jetzt wirklich?
Wie gut ist Flixbus also jetzt am Ende wirklich? Ich glaube es ja beinahe selbst nicht. Aber eigentlich muss ich eine Empfehlung aussprechen. Zumindest aus der einen Erfahrung, die ich gemacht hatte. Wer spontan bucht oder buchen muss, Wert auf günstig legt, nebenher mobil die eine oder andere Mail beantworten will, Sitzfleisch mitbringt und nicht auf exakt die ein oder andere Minute irgendwo sein muss, kann den Flixbus als Reise-Alternative für lange Strecken tatsächlich in Erwägung ziehen. Und Klagenfurter mit Zielen wie Triest, Prag oder Berlin sowieso.
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