Was war das für ein Aufschrei. Das darf doch nicht wahr sein. Ich, empört, ungläubig, ratlos. Ein Hund kackt in unseren Garten. Rein durch die Gartentür, Geschäft verrichtet, wieder rausgeflitzt. Und das Frauchen? Geht vorbei. Als ob sie das nicht gesehen hätte. Was tun? Die Frage stellte ich auf Facebook. Und wurde überrascht und überschwemmt von der Flut der Antworten gleichermaßen. So viel Support und Ideen, aber auch so viel blanke Empörung. Das musste ich sacken lassen. Die Frage: Wie kann es sein, dass ein Hundstrümmerl zu einem solchen Orkan ausartet? Will ich dem wirklich so große Bedeutung zumessen? Und gibt es eine Lösung für die Geschichte, die nicht “Anzeige” oder “gegen den Hund” heißt? Meine Gedanken zu einer Geschichte “out of the van”, aber “inside WederLife”. Und was im Leben wirklich zählt.
Nicht gut gebrüllt, Stefan
Seit September bin ich wieder der Mann im Hause Weder. Sprichwörtlich. Zurück vom schicken Coworking-Schreibtisch im Homeoffice. Und jetzt war es mir passiert. 17. Jänner 2018, gleiche Geschichte, wie wir sie vor Weihnachten schon einmal hatten. Ein Hund kackt in unseren Garten. Ein Kleiner mit einem großen Geschäft.
Schon damals hatten wir ein Klärungsversuch gestartet. Besser gesagt: Franzisca hatte die Hundebesitzerin zur Rede gestellt. Vermutlich in Franzisca-Art: Freundlich, aber doch bestimmt. Mit den Argumenten, dass wir Kinder haben, die im Garten spielen und dort nicht in fremde Haufen steigen wollen. Die Reaktion: Verdrängung. Sie hat es nicht gesehen, ihr Hund würde doch niemals – so die Ausrede. Uneinsichtig, abwehrend, dreist. So erschien es uns. Ob sie es wirklich nicht gesehen hat? Wir wissen es nicht. Aber glauben können wir es nicht.
Und jetzt wieder. Nein, bitte. Meine erste Reaktion: Empörung. Das geht ja wohl gar nicht. Die mache ich zur Sau, wenn ich die wiedersehe. Auf Stefan-Art halt. Ich wollte es einfach nicht glauben. Kann wirklich jemand so dreist sein und das einfach so geschehen lassen? Im vollen Bewusstsein – so ja die Annahme. Wenn ich Hundebesitzer wäre, würde mir nie einfallen, meinen Hund nicht zumindest zurückzurufen, wenn er verschwindet. Hatte ich etwas übersehen? Und welche Möglichkeiten habe ich jetzt? Wie würden andere in meiner Situation reagieren? Das waren die Fragen, die mich neben dem Ad-Hoc-Ärger getrieben haben, eine “Bitte-Hilfe-Aktion” auf Facebook abzusetzen. Vielleicht bringt mich Schwarmintelligenz weiter – so die Idee. Und das tat sie letztendlich auch. Allerdings erst auf den zweiten Blick.
Die Empörung nimmt ihren Lauf
Was dann geschah, damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Die Unterstützung und das Beispringen meiner “Community” zu diesem Thema war grandios. Danke allen, die bereit waren mich mit ihren Ideen und Gedanken zu unterstützen. Und mir dabei gleichzeitig auch die Augen öffneten: Knapp 150 Kommentare waren es beim Post. 150! So viele hatte ich nicht mal beim Bild zur Geburt eines der vier WederJungs, glaube ich. Krass. Und dabei hatte ich noch nicht einmal ein Bild oder Video dazu gepinnt. Hat mich am Ende des Tages, als sich der erste Rauch verzogen hatte, zum Nachdenken gebracht.
Neben der Fassungslosigkeit waren auch die inhaltlichen Lösungsansätze auf Facebook vielfältig. Manche lustig, manche ernst gemeint, von Leuten mit und ohne Hunden: Von “einfach Tor zu” bis Kamera und Selbstschussanlage, von “der Dame Kacke ins Gesicht schmeißen” bis Besitzstörungsklage. Gegen die einfachste Variante, einfach Tor zu (es funktioniert bei uns rein technisch bei dem alten, verzogenen Ding außerdem eh nicht), wehrte ich mich innerlich. Ich soll mich und meine Gewohnheiten an den aus meiner Sicht Fehlern anderer orientieren? Das passte mir gar nicht in den Kram.
Erkenntnisgewinn dank Facebook
Doch es gab auch Erleuchtendes: Der Hund ist nicht der Schuldige. Das hatte ich in der ersten Aufregung verdrängt. Selbst gesucht nach Lösungen, wie der Hund fern zu halten sei vom Grundstück. Von biologischen Lösungen wie Zitronen auslegen bis hin zu den Chemiekeulen am Zaun waren etliche Überlegungen dabei, die mit Sicherheit auch funktionieren. Bin wie gesagt sehr dankbar dafür.
Ausprobiert habe ich es nicht. Aber wieder nachgedacht. Erstens wollte ich mich nicht – wie ähnlich beim Tor – wegen des Unvermögens anderer Leute in Unkosten stürzen. Zweitens erschienen mir manche Methoden auch ein wenig zu grausam dem Hund gegenüber. Ich fühlte mich absolut unwohl bei diesem Gedanken. Auch wenn ich mich nicht zu den militanten Tierschützern zähle: Ich bin das nicht. Ich will das nicht. Schließlich lag – und das hatte ich dank der Diskussionen erkannt – das Problem ja am anderen Ende der Leine.
Die zweite Erkenntnis bekam ich durch was ganz Wichtiges serviert: Durch die Reaktion der WederJungs. Natürlich hat uns das Thema beschäftigt. Allein schon während der ganzen Kommentare, die über den Tag wie Regentropfen auf den Post prasselten. Und natürlich haben wir, als Franzisca von der Arbeit nach Hause kam, uns darüber gleich unterhalten. Und natürlich war die Empörung dann immer noch hoch. Wie kann das sein? Frechheit!
Dazwischen standen unsere Kinder. Kaspar und Julius vor allem. Sie schauten irritiert, saugten sichtlich die Worte und Für und Widers auf, mit denen wir den Fall diskutierten. Bis sich Kaspar einmischte, und anfing, in das gleiche Horn zu blasen: “So eine blöde Tante, unmöglich, das geht ja gar nicht.” Und das war der Moment, wo ich merkte, Moment. Da läuft was aber ganz falsch. Nicht nur, dass wir das vor den Kids diskutiert hatten. Ein relativ kleiner Fall in der kleinen Weder-Welt wird zum großen Drama. Und die Kinder reflektieren. Folgen uns in unserem Negativismus. Der Welt und Menschen gegenüber. Ob gerechtfertigt oder nicht, sei in diesem Moment mal völlig dahingestellt. Für den Nachmittag war die Diskussion beendet.
Auf der Suche nach dem, was im Leben wirklich zählt
Die Diskussion ging am Abend weiter. Nachdem die Kinder im Bett waren. Das Resümee des Tages: Ein Berg Kommentare auf Facebook, mehr als gewünscht involvierte Kinder und Ideen, was wir nun tun könnten. Darunter auch eine kleine Idee von einem guten Freund. War ein wenig als Witz gemeint, aber beim weiter Nachdenken mit einem für mich, für uns immens wichtigen Kern: Warum eigentlich eine Lösung gegen etwas. Warum nicht den Fall positiv denken und die Chancen und Möglichkeiten zu sehen? Warum ihr nicht sprichwörtlich eine Schachtel Pralinen anbieten?
Kann das, kann eine Charmeoffensive hier wirklich ein Ansatz sein? Ja, Mensch, warum denn eigentlich nicht. Es liegt doch so nah. Schon aus rein praktischen Gründen: Eskaliert die Situation in einen handfesten Nachbarschaftsstreit, habe ich im letzten Jahr, wo wir noch in unserem Knusperhäuschen wohnen dürfen, ständig schlechte Stimmung wegen einer eigentlichen Lappalie. Aber vor allem: Ist es nicht genau das, was wir unseren Kindern versuchen beizubringen? Ist es nicht eigentlich der Kern, warum es uns so wichtig ist, die Welt zu bereisen? Warum es 6inaVan in dieser Form gibt?
Wenn wir der Welt mit offenen Armen, Ohren und Herzen begegnen, kommt dies zu uns zurück. An das glauben wir fest. An das will ich glauben. Nennt mich naiv, bescheuert, irreal. Das nehme ich gerne in Kauf. Und ja, sicher werde auch ich in dem Glauben oft enttäuscht. Ja, die Welt ist nicht immer nett zu einem. Aber ich möchte dennoch nicht aufhören, weiter daran zu glauben.
Gesagt, getan: Der erste Schritt zum Happy End
Und eben entsprechend zu handeln. Am 23. Jänner haben wir es versucht. Wir, nein, wieder Franzisca. Ich war in Wien auf Business-Trip, sie zu Hause. Und wie es der Zufall will, steht sie mit den beiden Großen auf den Fahrrädern abfahrtbereit in der Einfahrt, als der kleine Hund angeschossen kommt – sichtlich irritiert, dass ihm da drei Menschen die Einfahrt versperren. Der Hund trollt sich, die Dame kommt hinterher spaziert. Und Franzisca? Sie hat das gemacht, was wir uns gemeinsam vorgenommen hatten und hat die Dame zu uns eingeladen. Eingeladen, vorbei zu schauen, die Kinder, die immer im Garten spielen, kennenzulernen. Sich den Garten anzuschauen. Uns kennen zu lernen. Unsere Art zu leben und warum wir das Tor eben nicht immer geschlossen halten. Und um sie kennenzulernen – und ihren Hund. Und natürlich um über das Thema zu sprechen. Aber eben in einer anderen Atmosphäre.
Die Reaktion war – so hat mir Franzisca berichtet – zuerst abwehrend, ausweichend. Vermutlich hat sie erwartet, dass Franzisca sie wieder “anmacht”, ihr etwas vorwirft. Nur allzu verständlich. Auch wenn sie die Abwehrhaltung nie ganz verlassen hat, war sie durch die Freundlichkeit und ein Lächeln irgendwie “entwaffnet”, sie lächelte auf einmal zurück. Sie hat sich noch einmal von Herzen entschuldigt und angeboten, den Hund von nun an in unserer Straße an die Leine zu nehmen. Absolut ein Fortschritt.
Ich weiß zum jetzigen Zeitpunkt nicht, wie die Geschichte wirklich endet. Vielleicht werden wir enttäuscht. Vielleicht war das nur gespielt. Und vielleicht wird der Hund wieder in unseren Garten kacken. Ich aber fühle mich wohl. Die Empörung ist verflogen, das Thema aus dem Kopf, die aktuelle Situation entspannt. Auch, weil wir wissen, was im Leben wirklich zählt. Weil wir wissen, wie wir das nächste Mal reagieren, sollte das wieder passieren. Und dafür bin ich dankbar. Äußerst dankbar.